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Offener Brief: Stellungnahme des KWKD zu den Beschlüssen des Internationalen Strafgerichtshofes für das ehemalige Jugoslawien in Den Haag

Der Kroatische Weltkongress in Deutschland e.V. (KWKD) ist ein Dachverband, welcher sich auf bundesweiter Ebene für die Interessen von  Mitbürgern kroatischer Herkunft einsetzt, die zahlenmäßig die fünftgrößte Einwanderergruppe in Deutschland darstellt (ca. 400.000). Auf globaler Ebene ist der kroatische Weltkongress in insgesamt 30 Ländern vertreten und auch als nichtstaatliche Organisation Mitglied bei den Vereinten Nationen. Der KWKD setzt sich auf politischer, gesellschaftlicher, kultureller sowie wirtschaftlicher Ebene für die Stärkung deutsch-kroatischer Beziehungen ein. Mit Hilfe unserer erfahrenen Lobby- und Öffentlichkeitsarbeit wollen wir nun der kroatischen Bevölkerung in Bosnien und Herzegowina Gehör verschaffen.

Aufgrund der Entscheidungen des Internationalen Strafgerichtshofes für das ehemalige Jugoslawien in Den Haag (weiter „ICTY“ genannt) haben wir erhebliche Bedenken, ob das Verfahren autark und gerecht verläuft und somit eine Diskriminierung der Kroaten im Strafverfahren ausbleibt.

Als Beispiel verfehlter Lobbyarbeit: Bosnier in Bosnien und Herzegowina werden mit Muslimen gleichgestellt. Dies ist nicht der Fall, da einige katholische Kroaten und orthodoxe Serben sich  ebenfalls als Bosnier bezeichnen.

Die ICTY entschied darüber, dass den Kroaten aus Bosnien und Herzegowina das Berufungsverfahren verlängert und somit das Urteil verzögert wird. Das verlängerte Berufungsverfahren wird lediglich gegenüber einer der drei Parteien aus Bosnien und Herzegowina, und zwar gegenüber den kroatischen Angeklagten beim ICTY zur gängigen Praxis.

In den bewaffneten Auseinandersetzungen in Bosnien und Herzegowina (1991 – 1995) nahmen alle drei  Ethnien (Muslime, Serben und Kroaten) teil.

In der ersten Phase des Krieges in Bosnien und Herzegowina hat der damalige Staatssekretär Lorenz Iglberger, ohne jegliche Grundlagen verkündet, dass es Ziel der US-Politik sei, in Bosnien und Herzegowina bei der islamischen Welt zu punkten und die Anklagen betreffend „antimuslimischer Vorurteile“ der amerikanischen Politik im Nahen Osten zu widerlegen (MacNeil/Lehrer PBS NewHour, 6.10.1992). Durch die spätere mediale Darstellung der bosnisch-herzegowinischen Moslems als unschuldige Opfer in der Verteidigung einer multikulturellen Toleranz ist die Komplexität des Krieges verzerrt worden. Weit vor dem Kriegsbeginn in Bosnien und Herzegowina (1991/1992) hat der politische Anführer der bosnisch-herzegowinischen Moslems, Alija Izetbegović, in seinem politischen Programm „Die islamische Deklaration“ (1970; Neuauflage 1990) betont, dass „die erste und wichtigste solcher Schlussfolgerung, jene über die Nichtvereinbarkeit des Islams mit nichtislamischen Systemen sei. Zwischen dem „islamischen Glauben“ und nichtislamistischer gesellschaftlicher und politischer Institutionen gibt es weder Frieden noch eine Koexistenz“ (1970, Seite 22). Ferner kündigt er in diesem Kontext auch die Idee des „Islamistischen Staates“ an, mit deren Folgen sich die gesamte heutige Welt auseinandersetzt: „In einer der Thesen über die heutige islamistische Ordnung haben wir aufgeführt, dass die natürliche Funktion der islamistischen Ordnung in dem Bestreben liegt, alle Moslems und muslimische Gemeinden der Welt zu verbinden. Unter heutigen Bedingungen bedeutet dies, den Kampf für die Gründung einer großen islamistischen Föderation von Marokko bis Indonesien, vom tropischen Afrika bis nach Zentralasien“ (1970, Seite 46). Dass der Anführer der bosnisch-herzegowinischen Moslems, Alija Izetbegović, nach der internationalen Anerkennung von Bosnien und Herzegowina im Jahre 1992 nicht an der Gründung einer „multiethnischen, liberalen und demokratischen Gesellschaft“ interessiert war, war allen politischen Akteuren des Balkans sowie allen mäßigen westlichen Analytikern bewusst. Die gut informierten, westlichen Analytiker haben davor gewarnt, dass die promuslimische Politik der USA Bosnien und Herzegowina sowie den Südosten Europas zu einem Brennpunkt des islamistischen Terrors und zu einer Bedrohung für westliche Interessen werden lässt. Diese Warnungen sind allerdings von den politischen Entscheidungsfindern der USA als unbegründet oder gar als paranoide Konstruktionen der den Russen zugewandten serbischen Propagandaküche oder als ihnen ähnelnde Konstruktionen der  Kroaten aus Bosnien und Herzegowina routiniert abgewiesen worden. Der Einfluss der promuslimischen US-Politik endet nach dem Friedensschluss in Bosnien und Herzegowina mit dem Abkommen von Dayton (Dayton-Vertrag; 1995), der gerichtlichen Verfolgung der militärischen und politischen Spitze der „Republika Srpska“, aber auch der Kroatischen Republik Herceg-Bosna vor dem ICTY einerseits, und mit der Amnestierung der politischen und militärischen Führung der bosnisch-herzegowinischen Moslems in Bezug auf an Kroaten und Serben in Bosnien und Herzegowina begangene Verbrechen, andererseits. Die promuslimische US-Politik, welche angeblich mäßige bosnisch-herzegowinischen Moslems  unterstützt habe, weil dies wohl die beste Abwehr gegen Extremisten unter den bosnisch-herzegowinischen Moslems  darstellte, endet mit dem Schüren eines Brennpunktes des islamistischen Terrors in Bosnien und Herzegowina, von wo aus er sich auf weitere europäische Länder ausbreitet.

Mit dem Ziel die negativen Folgen der promuslimischen US-Politik beim ICTY zu beheben, dürfen wir Ihnen eine dieser negativen Folgen näher darstellen. Der ICTY hat am 29.5.2013 das erstinstanzliche Urteil für sechs ehemalige Mitglieder der militärischen und politischen Spitze der Kroatischen Republik Herzeg-Bosna gefasst. Mit diesem Urteil sind der ehemalige Ministerpräsident der Kroatischen Republik Herzeg-Bosna, Jadranko Prlić, der ehemalige Verteidigungsminister, Bruno Stojić, die Generäle des Kroatischen Verteidigungsrates („Hrvatsko vijeće obrane; Abk.:HVO“), Slobodan Praljak und Milivoj Petković, der ehemalige Befehlshaber der Militärpolizei der Kroatischen Republik Herzeg-Bosna, Valentin Ćorić, sowie der Vorsitzende der für Gefängnisse und Gefangenenlager der Kroatischen Republik Herzeg-Bosna zuständigen Kommission, Berislav Pušić, zu insgesamt 111 Jahren Haft wegen im Zeitraum vom 1993 und 1994 bei kroatisch-bosnischen Auseinandersetzungen in Bosnien und Herzegowina angeblich begangenen Kriegsverbrechen verurteilt worden. Herrn Prlić ist zu einer Gefängnisstrafe von 25 Jahren, Herr Stojić, Praljak und Petković zu jeweils 20 Jahren Gefängnis, Herr Ćorić zu 16 Jahren und Herr Pušić zu 10 Jahren Gefängnis verurteilt worden. Der Fall „Prlić und andere“ stellt einen der längsten Verfahren beim Haager Gericht dar. Die Angeklagten haben sich noch 2004 freiwillig dem ICTY übergeben, während das Verfahren erst zwei Jahre später (2006) begann und das erstinstanzliche Urteil erst 7 Jahre später (2013) gefällt worden ist. Die Angeklagten sind als Teilnehmer von gemeinsamen verbrecherischen Vorhaben verurteilt worden, dessen angebliches Ziel darin lag, die zur Kroatischen Republik Herzeg-Bosna (eine kroatische politische Entität während des Krieges in Bosnien und Herzegowina) erklärten Teile Bosnien-Herzegowinas ethnisch von Bosniern zu säubern.

Während des Krieges, von 1991 bis 1995 in Bosnien und Herzegowina, in welchem sämtliche Völker großes Leid erlitten, wurden laut Nachforschungen der Caritas Bischofskonferenz von Bosnien und Herzegowina, welche auf den Angaben des Ministeriums für Sozialpolitik Vertriebener und Flüchtige der Föderation Bosnien und Herzegowina gründet, insgesamt 312.000 Kroatien aus ihren Heimen vertrieben, was insgesamt 43,5 % ihrer Gesamtanzahl darstellt (Archiv BK BiH 158-3/99; Bericht von mons. Dr. Miljenko Ančić, damaliger Leiter der Caritas BK BiH, welchen er bei der Sitzung des BK BiH in Banja Luka am 13. Juli 1999 vorgestellt hat). Der Weltöffentlichkeit ist allerdings weniger bekannt, dass insgesamt 170.000 Kroaten von dem von Bosnier (dem bosnischen Militär der Republik Bosnien und Herzegowina) überwachten Gebiet und insgesamt 142.000 Kroaten aus der Republik Srpska vertrieben worden sind. Um die Objektivität und ein faires Verhältnis in Bezug auf das Leid der anderen Völker zu wahren, stellen wir auch die Angaben über die Vertreibung von Serben und Bosnier dar, welche der gleichen Untersuchung entstammen.

  Kroaten Serben Muslime
Gesamteinwohnerzahl in Bosnien und Herzegowina nach einer Liste von 1991 760.852

17,4%

1.366.104

31,2%

1.902.956

43,5%

Vertriebene 312.000 430.000 485.400
Vertriebene im Jahre 1991 (%) 43,5% 31,7% 25,8%
Vertriebene aus der Föderation Bosnien und Herzegowina 170.000 410.000 52.000
Vertriebene aus der Republik Srpska 142.000 20.000 430.400

Die Sanktionierung der bosnischen politischen und militärischen Führung für die Teilnahme der Muslime am Verbrechen, genauer an der Völkervertreibung, blieb beim ICTY zu Gänze aus, so dass heute beim ICTY nicht ein einziges Verfahren gegen Vertreter der muslimisch-politischen und militärischen Führung im Krieg in Bosnien und Herzegowina anhängig ist.

Nach dem erstinstanzlichen Urteil in der Causa „Prlić und andere“ beim ICTY hat das bosnische Mitglied der Präsidentschaft von Bosnien und Herzegowina, Herr Bakir Izetbegović, bei einer der muslimischen Armee der Republik Bosnien und Herzegowina gewidmeten Festlichkeit in Podvelež, in der Nähe von Mostar, am 16. Juni 2013 geäußert: „Dies war ein gemeinsames verbrecherisches Vorhaben der herzegowinischen Kroaten zusammen mit dem Regime von Tuđman. Wer in Zukunft die dritte Entität und Herzeg-Bosna erwähnt, setzt die Befürwortung des verbrecherischen Vorhabens fort.“ Die zitierten Worte von Bakir Izetbegović werfen die Frage auf, welchen Verwendungswert die Urteile des ICTY im politischen Leben Bosnien-Herzegowinas haben? Werden diese Urteile gefällt, um Gerechtigkeit zu erzielen und Kriegsverbrechen zu bestrafen oder um dem bis heute nicht erreichten Begehren der kroatischen Bevölkerung, eine gleichberechtigte Stellung mit Bosniern und Serben in Bosnien und Herzegowina zu erzielen, einen „Stoß zu versetzten“, welches Begehren die muslimisch politischen Strukturen in Bosnien und Herzegowina, geleitet von Bakir Izetbegović, verhindert wollen?

Am 23. November 2015 fand beim ICTY eine Statuskonferenz betreffend den Stand der Berufungsverfahren in der Causa „Prlić und andere“ statt. Die wesentliche Änderung im Berufungsverfahren ist auf die Änderung des Präsidenten des ICTY zurückzuführen. Die Führung der Berufungsverfahren sowie dieser gesamten internationalen Institution der UN hat der aus Malta stammende Richter, Carmel Agius, von seinem Vorgänger Theodor Meron übernommen, was die Urteilsfindung in der Causa „Prlić und andere“ verlängern könnte. Zumal der neue Präsident des Strafgerichtshofes zugleich auch Vorsitzender des Berufungsrates in der Causa „Prlić und andere“ ist, besteht die Angst, dass das bereits zwei Jahre andauernde Berufungsverfahren, welches bis Mitte des Jahres 2017 beendet werden sollte, weiter verlängert wird.

Bei der letzten Statuskonferenz in der Causa „Prlić und andere“ wurde mitgeteilt, dass das Datum der Berufungsverhandlung noch nicht festgelegt worden ist. Der neue Präsident des ICTY hat zwar erklärt, dass das Berufungsverfahren ganz oben auf der Tagesordnung seiner Präsidentschaft liege und sind die Berufungsverhandlung grob für August 2016 geplant, während das endgültige Urteil bis Mitte 2017 zu erwarten sei. Nun stellt sich jedoch die Frage, ob es dem Berufungsrat gelingen wird, diesen umfangreichen Fall, mit Berufungen von insgesamt sechs Verurteilten und der Klägerschaft, innerhalb der geplanten Fristen abzuschließen? Laut Quellen aus dem ICTY sei nämlich vor dem Jahre 2019 nicht mit der Urteilsfindung zu rechnen, denn wenn das Urteil 2017 gefällt werden sollte und der Berufungsrat bereits zwei Jahre mit dem Verfahren zweiter Instanz beschäftigt ist, bedeute dies, dass der neue Rat ungefähr genauso viel Zeit für seine Arbeit benötigt.

Wir dürfen Sie auf diesem Wege höflich bitten, dass Sie sich auf diplomatischem Wege innerhalb Ihres Einflussrahmens dafür einsetzten, dass das Urteil im Berufungsverfahren der Causa „Prlić und andere“ so schnell wie möglich gefasst wird und der Ausgang des Berufungsverfahrens dem tatsächlichen Sachverhalt des Krieges in Bosnien und Herzegowina entspricht, und nicht etwa der promuslimischen US-Politik sowie einzelnen von den USA lobbyierten Mitarbeiten des ICTY. Jede in den zukünftigen Urteilen des Haager Kriegstribunals enthaltene Ungerechtigkeit wäre ein weiterer Stich für die ohnehin bereits zerrütteten zwischenethnischen Beziehungen in Bosnien und Herzegowina. Mit derartigen Urteilen würde nicht etwa die Unterstützung der Kroaten an der Zukunftsgestaltung von Bosnien und Herzegowina, sondern vielmehr ihre Abneigung und Verbitterung sowohl gegenüber dem ICTY und der internationalen Gemeinschaft als auch gegenüber den bosnischen Nationalisten wachsen, welche in Bosnien und Herzegowina aufgrund der bisherigen Urteile des ICTY über ihre nationalistischen Kriegsziele triumphieren.

Wir hoffen, dass die komprimierte Darstellung einen groben Umriss und Ergänzung der situativen Problematik darstellt.

Wir sind sehr daran interessiert, dass wir in Toleranz und Miteinander zu einem stabilen Europa beitragen können. Wir bitten Sie, dass Sie sich gegen die Diskriminierung und für ein gerechtes Verfahren der inhaftierten Kroaten aus Bosnien und Herzegowina einsetzen. Auch wünschen wir uns, dass den Kroaten aus Bosnien und Herzegowina politischer Raum zur Weiterentwicklung und die Einbettung im geeinten Europa gegeben wird.

Im Namen des Kroatischen Weltkongresses in Deutschland e.V.

Danijel Lučić, Vorsitzender                                   Niko Ereš, Geschäftsführer

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