Kroatien-Krieg: 20. Jahrestag des Massakers von Skabrnja
Am 18. November 2011 jährt sich das Massaker im kroatischen Skabrnja zum zwanzigsten Mal. Bei dem Kriegsverbrechen wurden 85 Menschen hingerichtet.
Vor zwanzig Jahren, am 18. November 1991, verübten die Jugoslawische Volksarmee (JNA) und serbische Freischärlerverbände in der dalmatinischen Ortschaft Skabrnja im Hinterland von Zadar ein Massaker und ermordeten 85 Menschen. Heute wird neben dem Jubiläum des Falls von Vukovar auch der zwanzigste Jahrestag dieses Kriegsverbrechens begangen.
Verschärfung der Spannungen in Kroatien im Frühjahr 1991
Mitte Juli 1991 beschloss das jugoslawische Staatspräsidium den Abzug der JNA aus Slowenien. Dies war im Abkommen von Brioni wenige Tage vorher so beschlossen worden und beendete den 10-Tage-Krieg der Volksarmee gegen Slowenien. In Kroatien eskalierte dagegen die bereits angespannte Situation. Schon Mitte 1990, nach den freien Wahlen in Kroatien, hatten Serben in der mehrheitlich serbisch besiedelten Region um Knin mit Straßensperren das von ihnen beanspruchte Gebiet abgeriegelt (so genannte „Baumstammrevolution“), getrieben von einem tiefen Misstrauen gegen ein mögliches unabhängiges Kroatien. Dieses Misstrauen wurde von der Führung in Belgrad genährt und verbreitet. Man warnte vor einer Rückkehr des Ustascha-Staates aus dem Zweiten Weltkrieg und sprach, wenn von der Führung in Zagreb die Rede war, nur von „Faschisten“ oder „Ustaschas“. Im September 1990 führte ein von der serbischen Bevölkerung in Kroatien abgehaltenes Referendum zur Proklamation des „Autonomen serbischen Gebietes Krajina“ durch den Bürgermeister von Knin, Milan Babic.
Mit dem Näherrücken der Unabhängigkeitserklärung Kroatiens verschärften sich im Frühjahr 1991 auch die Spannungen zwischen den aufständischen Serben und der kroatischen Administration. Im März 1991 kam es bei den Plitvicer Seen zu den ersten Feuergefechten mit Toten. Serbische paramilitärische Verbände versuchten nunmehr, die bereits serbisch kontrollierten Gebiete miteinander zu verbinden und auch Ortschaften unter ihre Kontrolle zu bringen, die nicht mehrheitlich serbisch besiedelt waren. Die JNA, die bislang offiziell „neutral“ agierte, ergriff nach dem Abzug aus Slowenien immer offener Partei für die serbische Seite und griff auf deren Seite in den nun zum Krieg eskalierten Konflikt in Kroatien ein. Die zu Angriffszielen auserkorenen Ortschaften wurden erst durch die JNA mit Luftwaffe und Artillerie sturmreif geschossen und anschließend durch Bodentruppen der JNA sowie serbische Freischärler angegriffen und – in den meisten Fällen – erobert. Unter der ansässigen kroatischen Bevölkerung kam es zu Plünderungen, Vergewaltigungen, Vertreibungen und nicht selten auch zu Hinrichtungen.
Das Kriegsverbrechen von Skabrnja
Am Montag, 18. November 1991, gab es einen heftigen Feuerangriff auf die Ortschaft Skabrnja. Frauen, Kinder und ältere Menschen flüchteten in Keller und Schutzräume. Auch in Zadar waren die Detonationen zu hören. Kurze Zeit später durchbrachen Truppen der JNA zusammen mit serbischen Freischärlerverbänden die Verteidigungslinien und drangen in das Dorf ein. Die in die Keller geflüchtete Zivilbevölkerung wurde auf die Straßen getrieben, und noch am selben Tag wurden 43 Menschen hingerichtet – durch Schüsse aus nächster Nähe, durch Erschlagen mit schweren Gegenständen oder durch Messerstiche. Einige wurden von Panzern überrollt, andere vor der Hinrichtung gequält und misshandelt. Insgesamt fielen 85 Menschen diesem Kriegsverbrechen zum Opfer.
Referendum: Kroatien wird 28. Vollmitglied der Europäischen Union Englischsprachige Webseite erinnert an das Nanjing-Massaker Kroaten in München: Rote Karte für Den Haag Heute, zwanzig Jahre danach, ist das Gedenken an die Opfer von Skabrnja lebendig. In Skabrnja wurde am Tatort des Massakers eine Gedenkstätte errichtet. Im Ortszentrum steht zudem ein Denkmal für den verstorbenen früheren Staatspräsidenten Dr. Franjo Tudjman. In Zadar erinnert man sich noch heute an die schwarzen Leichensäcke, die zur Identifikation der darin befindlichen Toten zur pathologischen Abteilung des städtischen Krankenhauses gebracht wurden.
Verantwortung für das Kriegsverbrechen
Für das Massaker von Skabrnja wurden die beiden früheren Führungsköpfe der Serben in Kroatien, Milan Babic und Milan Martic, vom Kriegsverbrechertribunal ICTY in Den Haag verurteilt. Im Gegensatz zu Martic, der im Juni 2007 zu 35 Jahren Haft verurteilt wurde, zeigte Babic Reue. Er fühle „tiefes Bedauern und Scham“ für das, was er anderen Menschen angetan habe, „nur weil sie Kroaten und nicht Serben“ gewesen seien. Dafür bitte er „die kroatischen Brüder um Vergebung“, so Babic vor dem ICTY. Aufgrund seines Schuldeingeständnisses und der Bereitschaft, das ICTY uneingeschränkt zu unterstützen, wurde Babic Mitte 2004 zu nur 13 Jahren Haft verurteilt. Im März 2006 erhängte er sich in seiner Zelle.
Neben Babic und Martic wird auch der frühere Oberst der JNA und spätere General der serbischen Armee in Bosnien und Herzegowina, Ratko Mladic, für das Massaker von Skabrnja verantwortlich gemacht. Die derzeit gegen ihn laufende Anklage vor dem ICTY in Den Haag bezieht sich jedoch im wesentlichen auf die Verbrechen Mladics im Bosnien-Krieg, wie z.B. das Massaker von Srebrenica 1995 und die jahrelange Belagerung von Sarajevo, was in Kroatien auf Unverständnis und Ablehnung stößt. So kritisierte beispielsweise Oberst Marko Miljanovic, der frühere Kommandant der Verteidigung von Skabrnja, dass die von Mladic in Kroatien verantworteten Verbrechen, vor allem das Massaker von Skabrnja, nicht Teil der Anklage gegen ihn seien.
Quelle: suite101 (18.11.2011). URL: http://alexander-ruestau.suite101.de/kroatien-krieg-20-jahrestag-des-mas…