Bosnien: „Ethnische Säuberung“ gegen Katholiken
820.000 Christen lebten einmal in Bosnien-Herzegowina – bis zu Beginn der neunziger Jahre. Da brach der Balkankrieg aus, und jetzt ist ihre Zahl fast um die Hälfte geschrumpft, auf 460.000 Menschen. Der Exodus von katholischen Kroaten aus Bosnien-Herzegowina reißt nicht ab: wegen zahlloser Alltagsprobleme, ständiger Spannungen und einem wachsenden islamischen Radikalismus.
Pero Sudar ist Weihbischof und Generalvikar des Erzbistums Sarajewo: „Der Krieg ist damals ja wegen der fehlenden Toleranz ausgebrochen – mit dem Ziel, ethnische Spaltungen hervorzurufen. Leider aber hat sich die Umsetzung des Friedensabkommens von Dayton geradezu als Fortsetzung dieser ethnischen Säuberung herausgestellt. Sie hat nämlich die Spaltung von Bosnien-Herzegowina in zwei Teile erlaubt, die Föderation und die Serbische Republik. Infolge der Dayton-Abkommen sehen die Kroaten keine andere Möglichkeit mehr, als das Land zu verlassen. Sie haben keine politische Kraft mehr, die sie dazu bringen könnte, trotz der Schwierigkeiten zu bleiben. Eine kleine katholische Gemeinschaft hat sich da zur Selbstauflösung entschlossen.“
Kroatien aber, das „Mutterland“ der Katholiken in Bosnien, bereitet sich auf den Sprung in die EU vor: Eine Volksabstimmung dazu hat vor genau einer Woche eine breite Mehrheit dafür ergeben. Macht das den bosnischen Kroaten Hoffnung?
„Wir hatten gehofft, dass Kroatien unser Überleben auch in seinem eigenen Interesse fördern und bewerkstelligen könne – das Überleben der katholischen Kroaten in Bosnien-Herzegowina. Denn in gewisser Weise sind wir für Kroatien doch eine Brücke zwischen zwei größeren Völkern. Jetzt könnte es allerdings passieren, dass Kroatien bei seinem EU-Beitritt die Grenze nach Bosnien-Herzegowina abschottet und die katholischen Kroaten ihrem Schicksal überlässt.“
Einem Schicksal, das vorgezeichnet scheint. Vor allem wegen des Aufstiegs eines radikalen Islam wahabitischer Prägung, der den einstmals so toleranten bosnischen Islam immer mehr überlagert. Weihbischof Sudar hat den Eindruck, dass der radikale Islam jetzt planmäßig nach Europa vorstoßen will. Gegenwärtiges Aufmarschgebiet dafür sei Bosnien.
„In diesem Augenblick spüren wir doch weltweit diese Spannung, und leider wird da die Religion für Ziele eingesetzt, die nichts mit ihr zu tun haben. Wenn der intolerante Islam in Bosnien-Herzegowina an Boden gewinnt, dann werden seine ersten Opfer unsere einheimischen Muslime sein. Das grundlegende Problem hier bei uns ist, dass die politische Ungerechtigkeit längst zu einem Teil des Alltags geworden ist. Und leider helfen auch die Vertreter der internationalen Gemeinschaft dabei sogar mit: Nicht jeder hat ein Interesse daran, dass sich die Lage hier normalisiert…“
Quelle: Radio Vatikan (29.01.2012). URL: http://www.oecumene.radiovaticana.org/ted/articolo.asp?c=558559